Leistungsangebot und Zielgruppe (Download Konzept WIE)
Im Mittelpunkt des WIE steht die pädagogisch-therapeutische Förderung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die von einer Autismus-Spektrum-Störung betroffen sind (Frühkindlicher Autismus, Atypischer Autismus, Asperger Syndrom). Grundlegend bieten wir Einzel- und Gruppentherapie zur Förderung von Menschen mit Autismus an. Nach einem multimodalen Konzept gehen wir dabei vor allem ganzheitlich-systemisch vor und beziehen Aspekte der Umfeldarbeit in unsere Fördermaßnahmen mit ein. Entsprechend beraten wir Eltern oder Angehörige der betroffenen Kinder/Jugendlichen, die Integrationskraft, den Lehrer/die Schule oder die Erzieherin/den Kindergarten des betroffenen Kindes im Rahmen unserer Umfeldarbeit. Unser vollständiges Konzept steht ihnen oben als Download zur Verfügung.
Wir erbringen unsere Leistung auf der Rechtsgrundlage nach § 112 SGB IX in Verbindung mit § 75 SGB IX und nach § 79 SGB IX in Verbindung mit 113 SGB IX und rechnen diese direkt mit unseren Leistungsträgern, dem örtlichen Sozial- oder Jugendamt, sowie dem überörtlichen LWL ab.
Autismusspezifische Förderbereiche
Unsere pädagogisch-therapeutische Vorgehensweise beruht auf Multimodalität. Es kommt eine Vielfalt an wissenschaftlich anerkannten, teils evidenzbasierten Verfahren im Rahmen unseres grundsätzlich beziehungsorientierten Vorgehens zum Einsatz. Hierbei wird die Therapie individuell auf den Einzelfall zugeschnitten, wobei das Tempo und die Richtung immer von dem betroffenen jungen Menschen selbst bestimmt werden.
Nach Erstgespräch mit Antragstellung bei dem zuständigen Leistungsträger und nach der Bewilligung durch den Leistungsträger (Sozialamt, Jugendamt, LWL) kommt es bei uns zu einem ausführlichen Aufnahme- und Anamnesegespräch, aufgrund dessen wir einen Förderplan für das Kind oder den betroffenen jungen Menschen erstellen, in welchem die individuellen Therapie- oder Förderziele festgehalten sind.
Die jeweiligen Förderziele orientieren sich zum Einen an der im Einzelfall vorliegenden und auf der Grundlage der ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsbeeinträchtigung) ermittelten Teilhabebeeinträchtigung sowie zum anderen an die für Autismus-Spektrum-Störungen bekannten und hier weiter ausgeführten Förderbereiche. Das heisst, aus der Einzelfallbetrachtung geht hervor, welche Förderbereiche und –ziele bei dem jeweiligen Kind/jungen Menschen zum Tragen kommen.
Die inhaltliche und methodische Ausrichtung unserer pädagogisch-therapeutischen Arbeit basiert auf nachfolgend benannte Vorgehensweisen und Methoden:
Zur Kompensation der autismusbedingten Defizite in den kognitiven Exekutivfunktionen kommen beispielsweise Elemente aus dem TEACCH-Programm (Treatment and Education of Autistic and related Communication handicapped Children) zum Einsatz. Es handelt sich dabei um ein Lern- und Tagesstrukturierungsprogramm, das Sicherheit und Struktur gibt um sich auf die aktuellen Tätigkeiten zu konzentrieren. Der methodische Aspekt der Strukturierung der Umwelt und der Visualisierung von Raum, Zeit, Arbeitsorganisation und Material bildet dabei eine grundlegende Strategie in der therapeutischen Förderung, die sich auf alle Bereiche der Entwicklung des betroffenen jungen Menschen bezieht.
Blick in einen unserer Therapieräume
Zur Stärkung der sprachlichen und vorsprachlichen Kompetenzen bei Kindern mit gravierenden Einschränkungen des sprachlich-kommunikativen Repertoires beziehen wir in unseren therapeutischen Ansatz eine sprachanbahnende Förderung mittels Anwendung von PECS (Picture Exchange Communication System) ein. Die PECS-Methode dient der Kommunikationsanbahnung mit Hilfe von Symbolkärtchen und dem Einsatz von Bildkarten. Das Kind lernt, Symbole zuzuordnen und Kommunikation im sozialen Kontext zu verstehen bzw. zu initiieren. Es wird nach und nach dazu angeregt, die Symbole in Wörter oder einfache Sätze verbal umzuformen.
Für eine Verbesserung der Wahrnehmungsverarbeitung wird mit heilpädagogischen Förderansätzen zur Stärkung der Sensorischen Integration (SI) gearbeitet, um eine Grundvoraussetzung für aufmerksamkeitsregulierende Prozesse zu schaffen. Sinnesreize müssen ständig vom Nervensystem verarbeitet werden. Die Sensorische Integration beruht auf einer Aufgliederung und Verarbeitung von Sinnesreizen im zentralen Nervensystem, um eine angemessene Auseinandersetzung mit der Umwelt zu ermöglichen. Die Fokussierung oder Zentrierung von Aufmerksamkeit basiert auf die Wahrnehmungsorganisation sinnlicher Reize.
Zu den Sinnesreizen gehören neben dem Sehen (visuell), Riechen (olfaktorisch), Schmecken (gustatorisch), Hören (auditiv) und Fühlen (taktil / kinästhetisch) auch die Bewegung (Motorik), das Gleichgewicht (vestibuläre Wahrnehmung) und die Körperhaltung (Kinästhetik / Propriozeption). Für jede zielgerichtete Handlung muss beispielsweise das Zusammenspiel aller Sinnesreize funktionieren.
Bei einer autistischen Beeinträchtigung ist dieses Zusammenspiel nur unzureichend gegeben. Da der Informationsfluss unorganisiert im Zentralnervensystem ankommt und nur unzureichend verarbeitet wird, kann keine gezielte Reaktion auf Umweltreize erfolgen. Dies macht sich besonders in motorischer Ungeschicklichkeit, Geräuschempfindlichkeit und in der Schwierigkeit, sich an neue Situationen anzupassen, bemerkbar. Hinzu kommen oftmals Auffälligkeiten im Verhalten wie Rastlosigkeit, Ruhelosigkeit und Hyperaktivität.
Entsprechend integrieren wir eine Psychomotorische Förderung in unser pädagogisch- therapeutisches Konzept. Um eine möglichst tragfähige Verknüpfung der Sinneswahrnehmung mit mental-kognitiven Funktionsbereichen zu erreichen, löst das betroffene Kind beispielsweise schaukelnd Aufgaben oder erhält stete Anforderungen von außen zur Aufrechterhaltung der wechselseitigen Interaktion. Zur Verbesserung der taktilen Wahrnehmung können desweiteren verschiedene Materialien benutzt werden, wie der Einsatz von Ton oder das Ertasten von Gegenständen unterschiedlicher Form, Größe und Konsistenz. Darüber hinaus werden Kinder mit Berührungen von Pinseln, Bürsten, Schaum oder mit verschiedenen Massagepraktiken in ihrer Wahrnehmungsverarbeitung angeregt. Weitere Ziele betreffen z.B. das Schulen von Auge-Hand-Koordination, räumlicher Körperwahrnehmung und Aufrichtung sowie die Planung von Handlungen und der Bewegungskoordination (z.B. mittels Parcours).
Neben dem Anregen von Wahrnehmungsverarbeitungsprozessen besteht ein zusätzliches Therapieziel für unsere Betroffenen oft darin, in sozialer Hinsicht zu lernen, mit aufkommenden Affekten und Emotionen wie ärgerlichen oder aggressiven Impulsen angemessen umzugehen. Sich im Anschluss an emotionale Aufregungen oder gefühlsmäßige Irritationen selbst wieder beruhigen, ausbalancieren oder stabilisieren zu können, wird als eine Fähigkeit zur emotionalen Selbstregulation bezeichnet. Hierzu bedarf es bestimmter, zumeist unbewusst ablaufender Strategien, wie z.B. Ablenkung, Reizselektion, Inhibition oder Umlenkung, die bei Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung nur unzureichend entwickelt sind. Entsprechend sind Betroffene oft schon bei kleinen Veränderungen in ihrer Umwelt irritiert oder emotional destabilisiert. Sich zunehmend selbstständig zu steuern ohne übermäßig auf die Unterstützung von Bezugs- bzw. Betreuungspersonen angewiesen zu sein verlangt von den betroffenen jungen Menschen eine Verbesserung der Emotionsregulation. Dies beruht wiederum auf dem Erlernen von Belohnungs- und Bedürfnisaufschub sowie auf die schrittweise Erweiterung von Frustrationstoleranz und Impulskontrolle.
Menschen mit einer autistischen Beeinträchtigung neigen zu ritualisierten, sich wiederholenden Verhaltensweisen und bevorzugen feste Routinen um ihre oftmals als chaotisch wahrgenommene Umwelt zu strukturieren. Dies kann auf ein ungefiltertes Einströmen von Sinneseindrücken zurückzuführen sein. Abweichungen von der Struktur, wie z.B. ein veränderter Schulweg, umgestellte Möbel, ein neuer Tagesablauf oder umgestellte Gegenstände, können Unsicherheit, Stress oder sogar Panik hervorrufen. Mittels kleinschrittigen, verhaltenstherapeutisch orientierten Elementen wird versucht, die Fähigkeit des betroffenen jungen Menschen im Umgang mit Veränderungen zu verbessern. Dabei können auch visuelle Strukturierungshilfen unterstützend sein, mit denen eine Vorhersehbarkeit für das Geschehen geschaffen wird. Aufgrund der im Alltag auftauchenden Konfliktsituationen lassen sich darüber hinaus eventuell mit dem betroffenen jungen Menschen Situationsanalysen durchführen, in denen deeskalierende Strategien identifiziert und in einem weiteren Schritt strukturell genutzt werden.
Im Hinblick auf die sozial-emotionale Entwicklung des jungen Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung muss von einer Schwäche in der Perspektivenübernahme oder Empathie bzw. von einem sog. Theory-of-Mind-Defizit ausgegangen werden. Demnach fällt es Betroffenen schwer, das Erleben der eigenen Innenwelt zu differenzieren und fremdes Erleben und Verhalten (z.B. Gefühle, Absichten, Wünsche oder Erwartungen) zu erkennen und zu verstehen. Sie weisen Schwierigkeiten auf, das Tun anderer nachzuvollziehen und es im eigenen Handeln zu berücksichtigen.
Mittels Bildkarten zur Emotionserkennung, psychotherapeutischen Spielen oder unter Verwendung eines computerbasierten Programms zum Gefühlstraining, wie das FEFA-Programm (Frankfurter Test und Training zur Erkennung des faszialen Affekts) wird die Fähigkeit zur Identifikation von Affekten und Emotionen anhand von Mimiken gezielt geschult. Im Anschluss kann ein Trainieren der sozialen Fertigkeiten und Kompetenzen bei der Umsetzung ins eigene Handeln helfen, soziale Regeln besser zu verstehen und leichter mit anderen Menschen zu interagieren. Sowohl das sog. „So-Tun-Als-Ob“ – oder Rollenspiel wie auch Social Stories (soziale Lerngeschichten nach Carol Gray), Comic Strip Conversations (Unterhaltungen mittels Comic Strips nach Carol Gray), Theory of Mind-Trainings (z.B. nach Baron-Cohen) und Gesichtserkennungstrainings sind praktische Hilfsmittel, um u.a. implizites soziales Alltags- und Regel-Wissen verstehen zu lernen oder zu stärken.
Wenngleich Betroffene sich zumeist zurückziehen oder sozial isolieren, können soziale Kontakte zu altersähnlichen Personen für sie gleichwohl einen hohen sozialen Aufforderungscharakter haben und als Modellernen genutzt werden. Aus diesem Grund bieten wir nach eingangs erfolgter Einzelförderung die Möglichkeit zu einem Aufbaumodul in Form von Gruppentherapie an. Eine Gruppe besteht zumeist aus 4-5 betroffenen Teilnehmern und wird von zwei Therapeuten angeleitet oder begleitet. Zur Kompensation der beschriebenen autismustypischen Beeinträchtigung und zur emotionalen Stabilisierung benötigen die Betroffenen speziell in der Dynamik eines Gruppensettings eine klare Integration von Sprache und Handlung sowie eine verlässliche pädagogisch-therapeutische Anleitung zum sozialen Lernen in einem strukturierten und überschaubaren Umfeld. Das Gruppensetting liefert eine Vielzahl an Möglichkeiten zum Lernen von Wechselseitigkeit und sozialer Kompetenz.